So liebe Leut, habe was nachzuholen. Jetzt (2200) hau ich in die Tasten, und wenn’s bis 2 Uhr früh dauert.
Also, es geht ja um gestern Mittwoch, den 21.
Üblicherweise legt sich der Bura nach einem Tag und schwächt sich dann über ein bis zwei Tage ab.
Ganz selten macht der Kerle zwei Tage in seiner vollen Pracht durch. Natürlich ist das dann der Fall wenn ich in Kroatien bin.
Schon beim aufwachen wusste ich was los ist, alles hat geklappert und durch die Ritzen gepfiffen (was meint ihr hatte der mit seinem Harriss in der Fassade für ein Pfeiffkonzert ;-)).
Jä nu, es ist wie’s ist. Aufgestanden und runter zum Frühstück, welches Lubo mit seiner Familie liebevoll zubereitet hat.
Jetzt muss ich kurz einen schwenker machen und von einem von mir nicht für möglich gehaltenen Klische berichten.
Deutsche BMW Motorradfahrer!
Alle die hier mitlesen und Deutscher Abstammung sind und / oder BMW fahren, Ihr seid nicht so!!! Also, bitte auf keinen Fall persönlich nehmen!!
Mir ist ja wirklich egal ob jemand einen japanischen Reiskocher, ein italienisches Ringdingding oder eine deutsche Wertsarbeit fährt.
Aber die Deutschen BMW Fahrer, 5 an der Zahl, welche ebenfalls bei Lubo untergekommen sind, hatten schon fast rassistische Züge.
„Ah, Du bist der Schweizer mit der Harley“, ja erwiederte ich und wer bist Du? Keine Antwort.
Ok, der ist vielleicht noch nicht ganz wach, dachte ich und versuchte ein Gespräch anzuregen. „Wart’s ihr schon in Dubrovnik?“ fragte ich. Keine Antwort von 5 Bikern (äh, 5 Ärsc…..) auf engstem Raum. Noch nicht aufgegeben ergänzte ich „es geht mir um den Bosnischen Abschnitt auf dem Weg, brauchts da spezielle Genehmigungen oder änliches?“ Ein knurrendes „Frag doch den Lubo“ erhielt ich als Erwiederung.
Das war’s dann für mich mit Konversation und das Klische ist für mich eine selbst erlebte Tatsache geworden.
Als ich mein Pferd gesattelt habe, sind die Brösel abgefahren. Ich muss jetzt nicht noch erklären was die anhatten, oder? Die 5 Leuchtwestenjünger haben so geblendet, dass hier nicht mal eine Schweissbrille geholfen hätte.
Also habe ich mir in aller Ruhe die Tipps bei Lubo abgeholt. Anscheinend gibt es keine Probleme mit dem Bosnischen Abschnitt. Personalausweis genügt (ich werde es dann berichten).
Bezüglich dem Bura müsse ich damit rechnen das die Küstenstrasse für Motorräder (und Wohnwagen) geschlossen ist. Es wäre nicht das erste Mal dass es einen Biker von der Strasse gewindet hat, da dort die beschriebenen 200km/h Böen auftreten können.
Ich würde es dann sehen, da entsprechend ausgeschildert.
„Und wenn das so ist, wie komme ich dann an mein nächstes Etappenziel“ fragte ich?
Übrigens: Lubo spricht ein perfektes Nordrheinwestfalisches Hauchdeutsch!
„Ja dann musst Du durch die Berge fahren“. Aha. „Ja, Berge haben wir auch, und wo gehts denn da durch?“
„Alles kein Problem“, Lubo holt eine Strassenkarte von 1999 vor und erklärt mir den Weg. Boah dachte ich da schon, das ist ein zünftiges Stück.
Aber was will ich machen? Eventuell hat die Küstenstrasse ja doch offen.
Geschlossene Küstenstrasse!
Ich stehe vor dem zuvor genannten Verbotsschild und versuche die Tipps von Lubo in mein Navi einzugeben.
Hä! „auf ihrer eingegebenen Route sind die Kartenangaben ungenau“ sagt TomTom. Das ist ja sehr vertrauenserweckend dachte ich mir. Aber schliesslich war ich ja im Militär bei den Motfahrern und habe noch jede Beiz gefunden 🙂
Just in dem Moment als ich abfahren wollte, hält neben mir eine Sawakaki und versperrt mir den Weg.
Ein Mädel steigt ab, kramt ihren Fotoapparat raus und macht sich auf um ein Foto von der Küste zu knippsen.
Als sie lächelnd wieder aufsitzen wollte, fragte ich ob sie denn wisse dass die Küstenstarsse für Motorräder gesperrt sei.
„Na des nid, aber s is wegm Wind gel?“
Ein kurzer Blick auf ihre Nummernschilder zur Bestätigung meiner These…. Ja, sie kommt aus München.
„Genau“ erwiederte ich. Sie: „Jo, was moche mr den do, i will weiter, sakrament nonemool“
Ich erklärte ihr die Tipps von Lubo mit der Strecke durchs Gebirge und Hinterland. Sie gab mir mit ihrem Blick zu verstehen überhaupt nichts von meine Routenerklärungen kappiert zu haben.
„Willst Du Dich mir anschliessen?“ …. „Ich fahre voraus“. Ihre Augen funkelten und sie erwiederte „jo sowieso“.
Natürlich machte ich sie darauf aufmerksam dass es keine leichte Übung werden wird zumal auch das Navi seine Vorbehalte angemeldet hat.
„des passt scho“ war die Antwort.
Ich muss ja schon einen vertrauenswürdigen Eindruck hinterlassen haben dass sich das Mädel mir, einem wildfremden, anvertraut. Und das noch in der deklarierten Einsamkeit…… Also los ins Unbekannte.
Dieser Umweg durchs Gebrige hatte es in sich.
Nur Wälder und Kurven, stundenlang ist uns kein Fahrzeug entgegengekomme, dann ab und zu ein Holztransporter. Keine Zivilisation, kühl und bewölkt die Wetterlage.
Mein Navi hat trotz neuster Karte zum Teil nur noch Koordinaten angezeigt, also bin ich bei den wenigen Abzweigern nach Kompass gefahren.
Ich konnte mir vorstellen dass meine Begleitung je länger wie mehr verunsichert war und ich versuchte sie bei den Biobrakes zu beruhigen.
„Jo des packe mr schon“ war jeweils ihre Aussage zum Vertrauensbeweis.
Mittlerweile haben meine Radlager angefangen zu „singen“. Bei jeder Kurve, jeder Bodenwelle, jedem Schlagloch und davon hatte es, glaubt mir, sehr viele, drückt das ganze Gewicht auf die paar Stahlröllchen.
Das Motorenöl war mittlerweile so heiss und dementsprechend dünnflüssig , das die hydraulischen Ventilstössel ein metalisches klappern von sich gaben, welches an eine laufende Nähmaschiene erinnert.
Bloss keine Panne hier in der Pampas, dachte ich. Zudem ist die Bosnische Grenze auch nicht weit. Blos nicht aus versehen übertreten. Ohne Visum oder mindestens Reisepass landest du sonstwo in einem Loch.
Bei einem der folgenden Ziggistopps habe ich mal das Handy konsultiert und mit Erstaunen festgestellt dass Empfang vorhanden war. Mindestens das.
Bei diesen Stopps musste ich halt mal für Königstiger (resp. Schneeleoparden – Insider ;-)) und durfte dann die übliche Bemerkung „ihr Buabn habts scho guet“ anhören.
Mein Angebot dass ich mich wegdrehe und ein paar Schritte weglaufe damit sie auch könne, wurde mit „na, des passt scho“ erwiedert. Wie um Himmels willen kann jemand sein „Geschäft“ stundenlang so zurückhalten.
Ihr sagt euch jetzt natürlich dass ich ein alter Sack sein und erste Anzeichen von Inkontinenz aufweise. Von mir aus, aber über das geschätzte Alter meiner Begleiterin schweige ich mich aus… Bin ja schliesslich ein Gentleman .
Als dann irgendwann wieder Zivilisation auszumachen war, huschte ab und zu tatsächlich mal ein einsamer Harley-Fahrer vorbei (ohne Scheiss).
Vor uns dann ein typisches Kroatisches Restaurant mit der Sau am Spiess vor dem Haus. Ich machte ich ein Zeichen ob sie den etwas trinken wolle. Kopfnicken.
Ich hätte ja nur einen Espresso geschlürft und wäre wieder von dannen gezogen. Sie meinte jedoch „ah geh, jetzt esse mr wos“. Überredet … und im Nachhinein ein guter Entscheid. Sonst hätte ich mir wieder einen Hungerast, mit den Auswirkungen wie in einem vorigen Bericht beschrieben, eingefangen. Ja, da sind sie schon vernünftig die Damen!
Nach knappen 5 Stunden sind wir wieder auf der Küstenststrasse angelangt. Genau nach Tipp von Lubo (ab hier kann der Bura, aufgrund der geografischen Gegebenheiten nicht mehr seine Stärke entwickeln. Schön gepfiffen hat’s aber trotzdem noch). Ein bisschen Stolz war ich schon auf mich 😉 .
Wieder strahlend blauer Himmel, das türkiesfarbene Meer, die Kroatischen Inseln im Augenwinkel und keinerlei Verkehr.
Rund 50 KIlometer schlängelt sich dieser letzte Teil der Küstenstrasse um diesen wunderbaren Ort.
Auch hier wieder ein Auszug aus Wikipedia: „…..Die kurvenreiche Jadranska Magistrala wurde in den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut und gilt als eine der schönsten und malerischsten Küstenstraßen weltweit….“.
Mit 60 Kmh im 6. Gang und mit geschätzten 800 u/min habe ich jeden einzelnen Kolbenhub in der Wirbelsäule gespürrt.
Die Kiste hat so etwas von vibriert dass ich in den Ausenspiegeln nichts mehr erkennen konnte. Die Kenner können sich vorstellen wie die AMC (Auspuffanlage) gedonnert und der offene Lufi nach CO2 gerungen hat. Das musste einfach sein. Wenn mein Stahlross das ohne Schäden übersteht, Hut ab an die Factory in Milwaukee.
Auf diesen 50 Kilometern haben wir mehr Stopps eingelgt als in den 5 Stunden zuvor um die Aussicht zu geniessen zu können. Das bayrische Mädel wiederholte immer wieder „des gibts ja nicht“, „Paradies auf Erden“, „des kannst ned beschreiben“. Ich muss schon sagen, etwas aufgewühlt hat mich die ganze Sache schon auch (obwohl ich doch „so e harte Siech“ bin ;-)).
Langsam aber sich sind wir an den Punkt gekommen wo sich unsere Wege trennen sollten. Dabei wollte ich nicht einfach während der Fahrt ein „tschüss“ winken und meine Begleiterin ihrem Schiksal überlassen, sondern habe vorgeschlagen noch einen Kaffe trinken zu gehen.
In einem von einheimschen besuchten Restaurant haben wir halt gemacht und uns das erste Mal mit Vornamen vorgestellt (nach Stunden gemeinsamen fahrens!). Claudi heisst das Mädel aus München.
Beim diesem Abschiedskaffe hat sie mir ihr Herz geöffnet.
Ihr Mann sei vor einiger Zeit verstorben. Nach der Trauer hat sie sich gesagt dass das Leben weitergehen muss und daraufhin den Motorradführerschein gemacht hat.
Ohne gross kartenlesen zu können und ohne Navi macht sie sich einfach in eine Himmelsrichtung auf und davon, nimmt ihr Zelt mit und nächtigt wo es möglich ist.
Boah Leute, das ist mir aber mächtig eingefahren!
Als ich ihr die Hand zum Abschied reichen wollte, erwiederte Sie: „lass Dich drugga“, bedankte sich mit einer Umarmung für den schönen Tag und fuhr los.
Habe mich dann später noch per SMS erkundigt ob sie eine Bleibe gefunden hat. Sie ist noch über eine Stunde nach Biograd gefahren und dort auf einem Zeltplatz gestrandet.
Mädel, das nenn ich zäh, Hut ab!
War diese Etappe nun mein Camino?
Ich durfte auf jeden Fall ein paar schöne Stunden erleben und einem durch das Schicksal gezeichnetem Mitmenschen dasselbe zukommen lassen. Ich konnte sicher mehr Erfahrungen für das Leben sammeln als in derselben Zeit mit der üblichen Hektik und Begrenztheit.
Erkenntnis des Tages: alles ist relativ!
Es ist nun tatsächlich kurz vor 2 Uhr geworden. Die Fotos ergänze ich im Laufe des Tages. Guet Nacht.
Übrigens, wie es mit Claudi weitergeht erfährt Ihr im nächsten Bericht. Unglaublich, gel?
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